Achtsamkeit im Lern- und Prüfungsalltag: Wie kleine Pausen Grosses bewirken

Wer seine Gedanken und Gefühle bewusst wahrnimmt, bleibt fokussiert, motiviert und entdeckt mehr Freude am Lernen

Was ist Mindfulness (Achtsamkeit)?

Achtsamkeit bedeutet, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen – ohne zu bewerten oder abzuschweifen. Ursprünglich entstammt der Begriff der buddhistischen Tradition, hat sich jedoch im westlichen Kontext stark etabliert, vor allem dank der Arbeiten von Jon Kabat-Zinn (Kabat-Zinn, 2003). Inzwischen haben vielfältige wissenschaftliche Studien bestätigt, dass achtsamkeitsbasierte Ansätze in Therapie, Gesundheitsvorsorge und insbesondere in Bildungskontexten positive Effekte auf mentale Klarheit, Emotionsregulation und Lernfähigkeit haben (Hölzel et al., 2011).

Erkenntnisse aus der Forschung: Wie wirkt Achtsamkeit auf Lernen und Leistung? Was ist Mindfulness (Achtsamkeit)?

Stressreduktion und emotionale Balance
Achtsamkeit fördert eine ruhigere und stabilere Grundhaltung (Kabat-Zinn, 2003). Wer weniger Stress empfindet, lernt nachweislich effektiver: Die Aufmerksamkeitsspanne ist grösser, und Prüfungsängste werden vermindert.

Verbesserte Konzentration und Selbstregulation
In Studien zu Lernmotivation und Selbstwirksamkeit (Bandura, 1997; Deci & Ryan, 2000) zeigt sich, dass Personen, die regelmässig Achtsamkeitsübungen praktizieren, eine höhere Fähigkeit entwickeln, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und auftauchende Ablenkungen bewusst zu steuern.

Stärkere Selbstwirksamkeit und Motivation
Wer lernt, eigene Gedankenmuster zu erkennen und konstruktiv mit ihnen umzugehen, empfindet häufiger das Gefühl: „Ich kann das schaffen, weil ich meine innere Verfassung beeinflussen kann.“ Diese Erfahrung stärkt die intrinsische Motivation, also die Freude am Lernen an sich (Deci & Ryan, 2000).

Positiver Einfluss auf die körperliche Verfassung
Achtsamkeits-Interventionen sind nicht nur für den Geist vorteilhaft. Untersuchungen weisen darauf hin, dass schon kurze Achtsamkeitsphasen (z.  Atemübungen) Puls und Blutdruck senken und zu einem allgemein entspannten Körpergefühl beitragen können (Hölzel et al., 2011).

Was können wir daraus ableiten?

  • Innere Haltung formt äussere Leistung: Eine achtsame innere Grundhaltung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Lernende ihre Ressourcen voll ausschöpfen. Die oft unterschätzte „mentale Vorbereitung“ (z. B. Atemübungen vor Prüfungen) kann genauso leistungsentscheidend sein wie reines Fachwissen.
  • Emotionsregulation als Schlüssel: Eine gute Balance zwischen Anspannung und Entspannung ist im Lernprozess unabdingbar. Achtsamkeitspraktiken helfen, eigene Emotionen rechtzeitig zu bemerken und zu steuern, bevor sie in Stress oder Vermeidungsverhalten münden.
  • Bedeutung für die Lehr-Lern-Beziehung: Lehrerinnen und Lehrer, die selbst achtsam unterrichten, strahlen Ruhe und Empathie aus, was sich auf die Lernenden überträgt. Ein Unterrichtsklima, das Konzentration, Offenheit und Wertschätzung fördert, wirkt motivierend und senkt Hemmungen (Rheinberg, 2001).

Konkrete Schritte für den Alltag: Wie lassen sich Verbesserungen umsetzen? 

Kurze Achtsamkeitsübungen in den Lern und Prüfungsalltag integrieren

  • Atem-Pause: Vor Beginn einer Lektion, Lerneinheit oder Prüfung zwei bis drei Minuten still atmen und sich auf den Moment fokussieren.
  • Bodyscan (Körperreise): Kurz die Augen schliessen, nacheinander verschiedene Körperbereiche „abtasten“ und Verspannungen bewusst loslassen.
  • Dankbarkeits- oder Fokussier-Übung: Zwei, drei Aspekte nennen (oder aufschreiben), die aktuell gelingen oder wofür man dankbar ist.

Selbstreflexion und achtsames Feedback fördern

  • Lehrpersonen und Eltern sollten Feedback nicht nur auf Fachleistungen beziehen, sondern auch auf Anstrengung, Umgang mit Fehlern und innere Haltung (vgl. Hattie & Timperley, 2007).
  • Lernende sollten angehalten werden, nach einer Prüfung oder Lerneinheit kurz zu reflektieren, wie sie sich gefühlt haben und was sie beim nächsten Mal verändern möchten.

Regelmässige Pausen und achtsamer Medienkonsum

  • Für nachhaltiges Lernen empfiehlt es sich, Bildschirmpausen bewusster einzulegen und Aktivitäten wie Lesen, Bewegen oder Musik hören einzubauen.
  • Digitale Tools können zwar nützlich sein, aber ebenso ist es wichtig, immer wieder vom Dauerkonsum auszusteigen, um sich bewusst auf den Augenblick zu konzentrieren.

Individuelle Lernwege zulassen

Jeder Mensch hat einen eigenen Rhythmus, in dem er sich konzentrieren und Wissen aufnehmen kann. Achtsamkeitsorientierte Lernsettings erlauben mehr Selbststeuerung und reduzieren den Druck, mit anderen Schritt halten zu müssen.

Fazit

Eine achtsame innere Einstellung ist kein Luxus, sondern ein kraftvolles Werkzeug, um Lernen und Leistung zielgerichtet zu verbessern. Wenn Bildungsinstitutionen und Familien einerseits Raum für Achtsamkeitsübungen schaffen und andererseits den Prozess des Lernens reflektiert begleiten, profitieren sowohl die geistige als auch die körperliche Gesundheit (Kabat-Zinn, 2003; Hölzel et al., 2011). Die bewusste Förderung von Selbstwirksamkeit, Selbstregulation und Motivation führt nicht nur zu besseren ssischen Ergebnissen, sondern stärkt junge Menschen auch langfristig in ihrer Persönlichkeitsentwicklung.

Wer achtsam lernt, lernt nicht nur effektiver, sondern mit mehr Freude, Gelassenheit und einer tieferen Verbundenheit zu sich selbst – und genau darin liegt das Potenzial, das Mindfulness für die Bildung bereithält.

 

Quellen (Auswahl):

  • Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman.
  • Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The „what“ and „why“ of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry, 11(4), 227–268.
  • Hölzel, B. K., Lazar, S. W., et al. (2011). How Does Mindfulness Meditation Work? Proposing Mechanisms of Action From a Conceptual and Neural Perspective. Perspectives on Psychological Science, 6(6), 537–559.
  • Kabat-Zinn, J. (2003). Mindfulness-Based Interventions in Context: Past, Present, and Future. Clinical Psychology: Science and Practice, 10(2), 144–156.
  • Rheinberg, F. (2001). Motivation. Stuttgart: Kohlhammer.

Zwischentitel/ Highlight

  • Stressreduktion: Kurze Achtsamkeitspausen helfen Kindern und Eltern, ruhig zu bleiben und sich besser zu konzentrieren.
  • Mehr Motivation: Wer negative Gedanken früh erkennt und steuert, behält leichter Spass und Ausdauer beim Lernen.
  • Stärkeres Selbstvertrauen: Ein bewusster Umgang mit Gefühlen fördert das Gefühl, schwierige Aufgaben eigenständig meistern zu können.
  • Einfache Übungen: Schon wenige Minuten gemeinsames Durchatmen oder ein „Stille-Moment“ im Alltag bringen spürbar mehr Gelassenheit.
  • Langfristiger Nutzen: Regelmässige Achtsamkeitsimpulse wirken sich positiv auf die gesamte Familienatmosphäre und den Lernerfolg aus.

Achtsamkeit schafft kurze Auszeiten im Lern- und Prüfungsalltag und wirkt wie ein Ruheanker gegen Stress und Ablenkung. Schon ein paar Minuten bewussten Atmens oder stillen Beobachtens helfen, innere Ruhe zu finden und negative Gedanken loszulassen. Wer lernt, seine Gefühle und Reaktionen achtsam wahrzunehmen, stärkt das Selbstvertrauen und findet mehr Freude am Lernen. So profitieren Kinder und Eltern gleichermassen von regelmässig eingebauten Achtsamkeitsmomenten.

Probiert die kurzen Achtsamkeitspausen einfach aus – schon wenige Minuten täglich können den Lernalltag spürbar entspannen!